Wo bin Ich geblieben?

Martin Buber hat folgende jüdische Geschichte erzähl: „Es gab einmal einen Toren, den man den Gölem nannte, so töricht war er. Am Morgen fiel es ihm immer so schwer, seine Kleider zusammenzusuchen, dass er am Abend oft Scheu trug, schlafen zu gehen. Eines Abends fasste er schließlich ein Herz, nahm Zettel und Stift zur Hand und verzeichnete beim Auskleiden, wo er jedes Stück hinlegte. Am Morgen zog er wohlgemut den Zettel hervor und las; ‚die Hosen‘ – da lagen sie, er fuhr hinein, ‚die Mütze‘ – hier war sie, er setzte sie auf, und so fort, bis er alles an hatte. ‚Ja aber, wo bin ich nur geblieben?‘ Umsonst suchte und suchte er, er konnte sich nicht finden. ‚So geht es auch uns‘, sagte der Rabbi.“

So geht es uns in der Tat. Wir kümmern uns Tag für Tag um vieles. Wir tun dies und tun das, Nötiges und Unnötiges. Wir gehen auf in unserer Betriebsamkeit. Wir bauen ein Häuschen oder sparen für eine Wohnung. Wir haben eine Menge Termine, die wir unbedingt wahrnehmen müssen. Jeden Abend haben wir sozusagen einen Zettel im Gedächtnis, auf dem steht, was wir morgen keinesfalls vergessen dürfen. Und auf einmal taucht die Frage auf: Wo bin ich nur geblieben?